Zu Gast im Notkurier

Allgemein

Heute durfte ich die tägliche Kolumne „Gedanken zum Tag“ im Notkurier bestreiten:

Immer schön im Kreis herum

Anfang September waren wir zwei Wochen in Südengland unterwegs. Die wichtigste Erkenntnis die wir dabei gewonnen haben: Der englische Autofahrer muss seinem deutschen Pendant intellektuell haushoch überlegen sein. An jeder möglichen und manchmal auch unmöglichen Stelle Kreisverkehre. Einspurig. Zweispurig. Großspurig. Turbokreisverkehre. Mit allen Formen von Straßen, großen, mittleren, kleinen. Innerorts, ausserorts. Manchmal mündete eine Ausfahrt direkt in den nächsten Kreisverkehr. Und weit und breit kein verzweifelter Autofahrer, der sich damit überfordert fühlte.

Und das, wo uns hier immer wieder erklärt wird, wie kompliziert es doch sei, im Kreis herumzufahren. Dass es ohnehin nur bei gleichberechtigten Straßen mit gleich verteiltem Verkehrsaufkommen funktioniere. Dass doch dann die Ampelbauer pleite gehen. Dann schon lieber weiter Staus.

Während andernorts der Verkehr fliesst, drehen wir uns auf Usedom lieber immer schön weiter im Kreis. Und warten auf das nächste Konzept.

Den größten Kreisverkehr haben wir an der Ausfahrt der M4 (dreispurige Autobahn) Richtung London Zentrum und Flughafen Heathrow im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Fünf Spuren, die drei äußeren Richtung London und die beiden inneren zum Flughafen. Eat this, Sendrowski.

Swinemünde? Rechts hinterm Mond!

Technik

Jedenfalls aus Sicht unserer Lokalzeitungen. Anders kann man es sich nicht erklären, wenn in Swinemünde Ministerpräsident Donald Tusk zu Gast ist und bei uns darüber nicht mit einer Silbe berichtet wird. Dabei hatte Tusk am 1. Oktober durchaus auch für die deutsche Seite Interessantes zu berichten.

So hat er klargestellt, dass sich Warschau nicht an der Finanzierung der von der Stadt Swinemünde gewünschten Swinequerung beteiligen wird. Angesichts der Sparmaßnahmen habe das Vorhaben keine Priorität, man werde aber untersuchen, ob eine Finanzierung mit EU-Mitteln möglich sei. Der Sprecher der Stadtverwaltung, Robert Karelus, war darüber wenig erbaut. Er schlug vor, der polnische Staat könnte ja die Mittel zum Betreiben der Stadtfähren, ca. 5,5 Millionen Euro jährlich, über eine Dauer von 30 Jahren garantieren, dann könne man bauen. Ausserdem erwarte die Stadt ab 2014 ca. 12,5 Millionen Euro jährlich an Einnahmen von den Betreibern des Flüssiggasterminals, die man einsetzen könne. Die Kosten für den Bau des Tunnels werden auf 110 Millionen Euro geschätzt.

Tusk besuchte auch den Standort des geplanten Flüssiggasterminals. Er führte aus, das Terminal habe eine „strategische Dimension für die Sicherheit der polnischen Energieversorgung“. Mit dem Flüssiggas (LNG), das in Swinemünde angelandet werden soll, wird nach Fertigstellung des Terminals, geplant für den 30. Juni 2014, ein Drittel des gesamten polnischen Gasbedarfs gedeckt. Ein weiteres Drittel soll über den kürzlich mit Russland geschlossenen, bis 2037 laufenden Liefervertrag und das verbleibende Drittel mit Gas aus eigener Produktion abgesichert werden. Im Zusammenhang mit dem russischen Gasliefervertrag und dem nicht frei zugänglichen Leitungssystem hat die EU allerdings ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet.

Tusk informierte ausserdem, Deutschland habe seine Bedenken wegen möglicher Umweltgefährdungen zurückgezogen, damit stehe dem Vorhaben jetzt nach zwei Jahren Verzögerung nichts mehr im Wege. In der polnischen Presse werden die Baukosten mit 725 Millionen angegeben, davon kommen 80 Millionen von der EU, 200 Millionen sollen von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Rest von einem internationalen Bankenkonsortium finanziert werden.

Weiter will er gegen den Bau der Nordstream-Pipeline vor der Hafeneinfahrt von Swinemünde vorgehen, die bisherigen Zugeständnisse in Form einer Verlegetiefe von 17,5 Metern unter dem Meeresspiegel reichen ihm nicht aus. Polen verlangt eine Verlegung in 5 Meter Tiefe unter dem Meeresgrund, um den Hafen zukünftig für Schiffe mit einem Tiefgang von mehr als 13,5 Metern nutzbar zu machen. Die sind schon jetzt das abolute Minimum, da nach dem Liefervertrag vom September 2009 ca. 1,5 Milliarden Kubikmeter jährlich von LNG Qatargas aus dem Emirat Katar geliefert werden. Die Reederei Katar Gas Transport Company hat 13 Flüssiggastanker der Q-Max-Klasse im Einsatz. Die Teile sind 350 Meter lang, 55 Meter breit und haben im beladenen Zustand 12 Meter Tiefgang, Fassungsvermögen 265.000 Kubikmeter. Die nächst kleinere Q-Flex-Klasse ist bei 300 Meter Länge und einer Kapazität von 215.000 Kubikmetern, davon hat die Reederei 19 Stück. Die Bezeichnung und die Dimensionen leiten sich übrigens von dem Hafen von Ras Laffan/Katar (englisch: Qatar) ab. Wenn ich mir diese Riesenschiffe in der Kadettrinne vorstelle, habe ich doch ein leichtes Unbehagen.

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Rechts neben der Ostmole soll der Aussenhafen entstehen.

Aktuell wird das Baufeld vorbereitet und geologische Untersuchungen zur Standfestigkeit des Bodens bis zu einer Tiefe von 60 Metern durchgeführt. Dies sei erforderlich, da die Tanks bei einer Höhe von 40 Metern und einem Durchmesser von 80 Metern ein Gewicht von jeweils 70.000 Tonnen haben sollen (der Leuchtturm von Swinemünde in der unmittelbaren Nachbarschaft ist 68 Meter hoch). Für den Zeitraum 2017-2018 ist bereits eine Erweiterung ins Auge gefasst, um die Kapazitäten von jetzt geplanten 5,5 Milliarden auf 7,7 Milliarden Kubikmeter auszubauen. Bereits 2013 soll eine Station zum Entflüssigen des Gases fertig sein, um das Gas in die überregionalen Verteilnetze einspeisen zu können.

terminal-swinemunde.jpg Für das Entladen der Schiffe soll nach polnischen Berichten ein Außenhafen mit 5 Anlegestellen durch das Seeamt Stettin errichtet werden mit einem 3 Kilometer (!) langen Wellenbrecher und einer Fahrwasservertiefung. (Das ist neu für mich und es fällt mir schwer, die Länge des Wellenbrechers zu glauben, aber wenn schon die Schiffe 300 Meter und länger sind. Ausserdem ist die Westmole über 1.000 Meter lang und die Ostmole knapp 1.400 Meter. …) Das korrespondiert auch mit einer polnischen Zeitungsmeldung nachdem, die Tanker 800 Meter entfernt vom Terminal entladen werden sollen. Wo wird eigentlich der ganze Aushub für den Aussenhafen verklappt? Zur weiteren Information bitte hier nachsehen. Informationen zu LNG und den Risiken gibt es hier.

Um wieder auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen: Wäre Frau Merkel in Heringsdorf gewesen, ich würde drauf wetten, die polnische Presse wäre dabei gewesen.

Setzen, sechs

Politisches

Das darf man angesichts der jüngsten Bertelsmann-Studie „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss * Analysen – Regionale Trends – Reformansätze“ ruhigen Gewissens allen Bildungspolitikern der diversen Landesregierungen zurufen, die sich seit 1999 an unseren Schülern vergangen haben. Sie haben etwas bundesweit einmaliges fertiggebracht:

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Grafik: Bertelsmann-Stiftung

In unserem Bundesland ist die Anzahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss innerhalb von 9 Jahren von 10,6 auf 17,9 Prozent (+ 68,9 %) gestiegen! Im Bund ging die Anzahl von 9,1 auf 7,5 Prozent zurück, nur in NRW (6,0 auf 6,8), Sachsen-Anhalt (11,8 auf 12,1) und Brandenburg (8,4 auf 10,6) gab es neben uns noch Steigerungen.

Für die im Vergleich zu den übrigen Bundesländern auffallende Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern lässt sich aus der bildungsstatistischen Analyse keine Erklärung ableiten. Um Gründe für die atypische Entwicklung in diesem Bundesland zu ermitteln, werden vertiefende Untersuchungen, die im Rahmen der hier vorgelegten Studie nicht zu leisten sind, angeregt.

Damit ist Meck-Pomm mit weitem Abstand (Sachsen-Anhalt 12,1 %) bundesweit das Schlusslicht. Die kreisfreien Städte Wismar (24,0 %), Rostock (22,8 %) und Greifswald (22,4%) sind die bundesweiten Spitzenreiter. Bei Greifswald erklärt sich das ganz leicht, die sind von Ostvorpommern umzingelt. Die Autoren der Studie weisen extra darauf hin, dass es bei den kreisfreien Städten zu Verzerrungen kommen kann, da viele Schüler aus dem Umland beschult werden.

Da sind wir dann schon in unserem Landkreis. Von allen Flächenkreisen sind wir nach Mecklenburg-Strelitz (21,4 %) mit 20,6 % der zweitschlechteste Landkreis bundesweit. Jeder fünfte Schüler eines Jahrgangs schafft bei uns keinen Hauptschulabschluss. Jeder fünfte. Bad Doberan als bester Landkreis in Meck-Pomm kommt auf 13,3 %.

Baden-Württemberg mit 5,6 % und Bayern mit 6,5 % sind bundesweit die Besten. Die beste kreisfreie Stadt ist Heidelberg mit 4,4 %, der beste Flächenkreis ist Würzburg mit 2,6 %.

Sicher sind wir das am dünnsten besiedelste Bundesland, das macht Schulbildung zu einer besonderen Herausforderung. Einer Herausforderung, der unsere Bildungspolitiker nicht gewachsen sind. Eine andere große Rolle liegt nach meinem Dafürhalten in der schlechten Einkommenssituation. Arm macht dumm. Dumm macht arm. Arm macht dumm ….

Die gesamte Studie kann man hier als PDF herunterladen. Eine lohnenswerte Lektüre.

Plattitüden

Politisches

Der Niedergang der Insel-Zeitung des Notkuriers geht weiter. Seit Dienstag ist das Impressum der Lokalredaktion Anklam, die bisher verantwortlich zeichnete, sang- und klanglos verschwunden. Es gibt jetzt einen kleinen, blassblauen Kasten mit dem Titel „Kontakt“. Der Kontakt führt zu einem Ivo Hilgenfeldt. Keinerlei Information, in welcher Funktion er für den Notkurier tätig ist. Angestellter Redakteur, freier Mitarbeiter, Leihsklave?

Auf jeden Fall bläst er auf der Titelseite der Insel-Zeitung die Backen mächtig dick auf:

Neues Büro, neuer Korrespondent, neue Inhalte, neuer Look, so präsentiert sich die Insel-Zeitung ab heute frischer, informativer und unterhaltsamer denn je!
Das Ziel der Neuausrichtung der Lokalausgabe ist es, eine buntere Zeitung für eine immer bunter werdende Insel zu machen. Dabei sollen die Menschen vielmehr in den Vordergrund rücken, als es bisher der Fall war. Aus diesem Grund gibt es ab sofort eine neue Rubrik, das Insel-Geflüster, die das Leben und Treiben auf Usedom wiederspiegelt. Darin stellen wir getreu dem Motto „In ist, wer drin ist!“ das „Who is Who“ der Insel, wichtige Top-Termine und außergewöhnliche Persönlichkeiten vor. Darüber hinaus bieten wir spannende Reportagen, mitreißende Porträts, packende Hintergrundberichte und die neuesten Nachrichten und jede Menge Service und einer gehörigen Portion Lokalkollorid. [sic!]

Ui, dachte ich, da gehen alle meine Wünsche ja auf einen Schlag in Erfüllung. Allein, es blieb bei den vollmundigen Ankündigungen.

Neuer Look? Das Layout, die Typografie ist komplett das alte.

Neue Inhalte? Am Dienstag wurde die Wahlschmonzette aus Zinnowitz als Aufmacher angeboten. Stand schon am Freitag bei der Konkurrenz. Am Mittwoch war eine neuer Koch auf der Insel, Tom Wickboldt, der Aufmacher. Auch hier einfach mal zwei Wochen zu spät. Am Donnerstag ein infantiler Bericht über die bereits drei Jahre alte Apfelaktion der Usedom Tourismus GmbH. Heute immerhin ein aktuelles Thema, aber nicht vom neuen Korrespondenten, sondern aus der Anklamer Redaktion.

Informativer? Die Handballmannschaft des HSV Insel Usedom, immerhin im vergangenen Jahr unter den 70. besten Handballmannschaften Deutschlands und Aushängeschild der Sportregion, wird konsequent totgeschwiegen. Gemeindevertretersitzung in der größten Inselgemeinde mit 40 Punkten auf der Tagesordnung? Keine Silbe, wie auch. War ja keiner vom Notkurier vor Ort.

Es gab Zeiten, da hatte der Notkurier eine Redaktion mit 5 Redakteuren, da war es noch eine richtige Insel-Zeitung. Dann wurde das Büro und die Mannschaft das erste Mal verkleinert und bald darauf beides noch einmal verkleinert. Jetzt gibt es ein noch kleineres Büro versteckt am Heringsdorfer Bahnhof mit einer One-Man-Show, um mal die Anglizismen aus dem Zitat fortzusetzen. Aber es wird alles besser, schöner, bunter.

Herr Hilgenfeldt hat das Zeug zu einem begnadeten Politiker. Die verkaufen uns auch ständig jede Verschlechterung als die große Innovation.