War das Zufall?

Politisches

Ein Gastbeitrag von rhino, der mit Verlaub gesagt tatsächlich ein Riesen-Rhinozeros ist, zur gestrigen Nichtsitzung der Gemeindevertretung von Geringsdorf. Das artet hier langsam in Arbeit aus.

Der Saal im Bansiner Haus des Gastes war brechend voll – mit Einwohnern, die offensichtlich eine Menge Fragen an ihre Gemeindevertreter und die Verwaltung hatten: Was gedenkt der Bürgermeister in Bezug auf Marcus Strömich zu unternehmen? Welche vertraulichen Informationen wurden sonst noch aus dem Rathaus heraus und an wen verteilt? Worum ging es denn nun eigentlich wirklich in der „KTS-Affäre“?

Klaus Kottwittenborg wirkte sichtlich angeschlagen und verunsichert, was in seiner Situation ja auch nicht so sehr verwunderlich ist. Wie sollte er nur die erste Einwohnerfragestunde überstehen, wenn er sich doch selbst manches nicht mehr erklären konnte? Zumal er den intriganten Quell seiner Inspiration inzwischen aus der Öffentlichkeit entfernen musste und so ganz ohne Souffleur den Widrigkeiten seines Amtes trotzen sollte.

Doch in tiefer politischer Verzweiflung kam dem gepeinigten Gemeindeoberhaupt (neben nützlichen Abhängigkeiten) der Zufall zu Hilfe – in Gestalt des Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Friedrich dem Großen Langen. Wundersamerweise waren just zu der Gemeindevertretersitzung mit der höchsten Einwohnerbeteiligung seit langem um Punkt 19.00 Uhr gerade einmal 10 der 21 Gemeindevertreter erschienen.

Zwar ist es sonst durchaus nicht unüblich, anderen (unabhängig von dem eigenen Bildungsstand) ein akademisches Viertel zuzubilligen – umso mehr, wenn davon die Beschlussfähigkeit des obersten Willensbildungsorgans der Gemeinde abhängt. Doch wollte Friedrich der Große Lange diesmal nichts dem Zufall überlassen, stellte um 19.06 Uhr die (Beschluss)Unfähigkeit der Gemeindevertretung fest und erklärte die Sitzung für beendet – gerade noch rechtzeitig, bevor um 19.10 Uhr der 11. Gemeindevertreter erschien, mit welchem dann die Sitzung doch noch hätte durchgeführt werden können und müssen. Der Bürgermeister blinzelte gerührt und dankte mit tränenden Augen dem Zufall für diesen Aufschub.

Nun wäre der Vorsitzende der Gemeindevertretung in weniger kaiserlichen Gemeinden zutiefst beschämt, wenn die Hälfte der Gemeindevertreter ihren Verpflichtungen zur Teilnahme an einer Gemeindevertretersitzung und zur Kontrolle der Verwaltung nicht nachkommt – nicht aber in Geringsdorf. Dieser hatte nämlich den Zufall vorausgesehen und zufällig Sekt nebst Sektgläsern mitgebracht, um diesen Bankrott der kommunalen Demokratie gebührend feiern zu können. Und während man in Bansin die Korken knallen liess und sich statt reinen Weins lieber Sekt einschenkte, nutzte der Bürgermeister die Gelegenheit, um sich unbequemen Fragen durch Flucht in die Dunkelheit zu entziehen und die Einwohner mit einer weiteren Frage zurückzulassen:

War das Zufall?

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