Niveau ist keine Creme

Politisches

Wäre es eine, ich hätte gestern zwei große Kartons davon verschickt. Einen an einen Herrn Hariolf Reitmaier und einen an die Zinnowitzer Lokalredaktion der Ostsee-Zeitung. Beim Erstgenannten habe ich allerdings erhebliche Zweifel, ob man die Creme dick genug auftragen könnte um Wirkung zu erzielen. Bei den Letztgenannten besteht dagegen noch Hoffnung und dort würde ein entsprechend dicker Auftrag zumindest erst einmal die Schamesröte überdecken, die sie nach eigenem Bekunden mittlerweile überkommt ob der nachstehenden Veröffentlichung in der gestrigen Ausgabe:

Hans Dornbusch war und ist der personifizierte Gegenentwurf des arroganten Wessis, der in den Osten gekommen war als im Westen gescheiterter Zocker, als Großkotz, oder gar als beamteter Besser-Wessi, der – dank der Wiedervereinigung – im Osten noch in A 14 aufsteigen sollte, obwohl er im Westen mit A 9 längst als Lendenlahmer zur schnellstmöglichen Frühpensionierung angestanden hatte. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel!

Nichts hatte dieser „Unternehmer aus dem Westen“ gemein mit jenen vermeintlichen Geldmenschen „aus der BRD“, oft genug Labertypen und Glücksritter, die den Ostdeutschen von den Segnungen der Marktwirtschaft erzählten.

Anlass für diese Absonderung war der 70. Geburtstag von Hans Dornbusch, Hotelier in Zinnowitz. Dessen Leistungen nicht nur auf Usedom völlig außer Frage stehen und der es ohne Zweifel nicht nötig hat, auf solche Art und Weise gewürdigt zu werden.

Zuerst dachte ich ja, dieser Hariolf Reitmaier sei ein junger, unterbezahlter Volontär ostdeutscher Herkunft, der 1989 gerade den Windeln entstiegen war und wegen schlechter Behandlung seiner Eltern durch „Unternehmer aus dem Westen“ schwer traumatisiert ist. Damit lag ich völlig daneben. Herr Reitmaier ist kein Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung, sondern nach eigenem Bekunden gegenüber der Zeitung mit Hans Dornbusch bekannt und als Journalist in Süddeutschland tätig.

Er hat seinen offenbar als Hommage gedachten Text unaufgefordert der Ostsee-Zeitung angedient, die ihn dann aus welchen Motiven heraus auch immer, mitsamt dieser unsäglichen Passage veröffentlicht hat. Nicht ohne in der Überschrift noch einmal von sich aus das billige Klischee vom „arroganten Wessi“ zu bedienen. 19 Jahre nach dem Mauerfall verschlägt einem so etwas einfach nur die Sprache. Aber wer weiß, vielleicht begeht man in der Ostsee-Zeitung im nächsten Jahr auch nicht den 20. Jahrestag des Mauerfalls, sondern den 60. Jahrestag der Staatsgründung der DDR. 😉

Ich kenne mehrere „arrogante Wessis“, deren Väter bzw. Großväter Opfer der Aktion Rose waren. Alle haben Sie eine gesicherte Existenz aufgegeben, sind ein hohes persönliches Risiko eingegangen, um das Erbe wieder aufzubauen und vielen Menschen Arbeit zu geben. Wie mögen die sich wohl gestern nach der Zeitungslektüre gefühlt haben?

Nachtrag 13.12.2008: Die Ergebenheitsadresse von Herrn Reitmaier gibt es heute auch in der Financial Times Deutschland zu lesen. Interessant zu sehen, welche Passagen in der jeweiligen Zeitung gestrichen bzw. nicht gestrichen wurden.

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