Lang lebe der Aufschwung! Oder lieber doch nicht?

Politisches

Vor fast genau vier Wochen habe ich hier aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage einer kleinen Partei die Definition von Aufschwung kundgetan: Aufschwung ist, wenn ein verheirateter Durchschnittsverdiener seit 1999 kaufkraftbereinigt ein ständig sinkendes Einkommen hat. Seit ein paar Tagen gibt es den neuen IAQ-Report (Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen), der sich mit den Auswüchsen der Niedriglohnbeschäftigung bis zum Jahr 2006 befasst.

Auch aus diesem Bericht lassen sich ein paar Merkmale herleiten, an denen man einen Aufschwung erkennen kann:

    Immer mehr Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung rutschen in den Niedriglohnsektor (58,6 % in 1995 – 67,5 % in 2006)

    Die Zahl der Beschäftigten mit Stundenlöhnen von weniger als 5 € ist von 1,5 Mio. in 2004 auf 1,9 Mio. in 2006 gestiegen.

    Der durchschnittliche Stundenlohn von Niedriglohnbeziehenden ist seit 2004 gesunken.

Als eine der Ursachen und sozusagen als Brandbeschleuniger macht IAQ die 2003 erfolgten Änderungen bei den Minijobs und der umfassenden Deregulierung der Zeitarbeit aus. Hier noch ein interessantes Zitat aus der Studie:

Der Vergleich mit den anderen an unserer Studie beteiligten Ländern zeigt, dass Deutschland inzwischen den höchsten Niedriglohnanteil unter den kontinentaleuropäischen Ländern (Dänemark, Frankreich, Niederlande) hat und recht nahe bei den Werten für Großbritannien liegt. Selbst verglichen mit den USA, für die der Niedriglohnanteil auf rund 25% beziffert wird (Solow 2007), liegt die Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland (bezogen auf alle Beschäftigte) mit einem Anteil von mindestens 22,2%, wie die aktualisierten Berechnungen für 2006 hier nochmals unterstrichen haben, nicht mehr weit hiervon entfernt. In keinem der anderen Länder ist die Niedriglohnbeschäftigung in den vergangenen Jahren so stark gestiegen wie in Deutschland. Bemerkenswert ist auch, dass eine Ausdifferenzierung der Löhne nach unten, wie wir sie für Deutschland festgestellt haben, in den europäischen Nachbarländern undenkbar ist, weil gesetzliche Mindestlöhne zwischen 8 und 9 € oder tarifliche Standards (in Dänemark) dies nicht zulassen.

Hier noch was zum schämen: Im Durchschnitt verdienten die Niedriglohnbeschäftigten 2006 in Westdeutschland 6,89 € und in Ostdeutschland 4,86 € brutto pro Stunde. Aber wie sagte schon Klaus-Peter Willsch, MdB/CDU so schön:

Wo steht, dass man sich mit dem Lohn einer 40-Stunden-Woche ernähren können muss?