Warum wir vom Usedom-Center die Finger lassen sollten

Politisches

Hannes Albers, der nahe der Benzer Kirche eine Galerie betreibt, hat in der OZ einen Leserbrief veröffentlicht, in dem er sich kritisch mit dem geplanten Usedom-Center auseinandersetzt. Er bringt eine Reihe von guten Gründen und Zweifeln vor, von denen ich nicht alle, aber doch eine ganze Menge teile. Meine Skepsis hat mehr mit dem meiner Meinung nach überholten Konzept eines Besucherzentrums zu tun, dazu werde ich aber gesondert noch etwas schreiben.

Er hat mir freundlicherweise gestattet, seinen Leserbrief hier auf dem Blog zu veröffentlichen. Vielleicht ergibt sich dann wenigstens hier eine offene Diskussion, man hat sonst leider den Eindruck, dass diese mit 12 Millionen Euro seit dem Bau der Ostsee-Therme teuerste Investition in öffentliche, touristische Infrastruktur der Mehrzahl der Leute auf gut deutsch gesagt am Hintern vorbeigeht.

Hier also der Text von Hannes Albers:

Zugegeben: Ich habe in einigen Workshops des Tourismusverbandes TVIU am Inhalt des Usedomhauses mitgearbeitet und mich zunächst, auch öffentlich, zustimmend geäußert. Ich nehme diese Zustimmung zurück und begründe meinen Meinungswandel wie folgt.

1. Die Insel Usedom ist in ihrer kommunalpolitischen Struktur nicht in der Lage, ein Projekt dieser Größenordnung zu stemmen. Zerklüftet in Gemeinden und Ämter, hat Usedom bisher sträflich versäumt, sich einen einheitliche Anzug zu schneidern: Eine Stadt – eine Insel. Auf der Insel ist kein Führungsgremium vorhanden. Weder in der Kommunalpolitik noch im Tourismus. Auf Usedom hat sich keine Persönlichkeit herauskristallisiert, die eine Führungsfigur ist. Die Insel hat keine Vision. Der Inselrat, ohne Kompetenzen und vor allem ohne Haushalt, ist eine Farce.

2. Alle Beteiligten auf Usedom, in der Kommunalpolitik und im Tourismus, haben in den zurückliegenden Jahren sträflich versäumt, die Verkehrsprobleme anzupacken, ja zu lösen. Plötzlich wundern sich alle Beteiligten über das Ergebnis ihres Versagens. Wir stehen Sommer für Sommer im Stau. Der Verkehr erstickt Einheimische und Gäste gleichermaßen. Diese Insel war nicht einmal in der Lage, die Notwendigkeit einer durchgehenden Eisenbahn-verbindung Berlin-Usedom-Berlin rechtzeitig bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin zu positionieren. Jetzt hinken wir ALLE hinterher.

3. In den bisherigen Arbeitsgruppen haben wir zwar über Standorte und Inhalte diskutiert, aber sträflich veräumt, das Thema Verkehr im Zusammenhang mit dem geplanten UsedomHaus entsprechend zu beleuchten. Diese Problematik ist, bewußt oder unbewußt, weitgehend ausgeklammert worden. Ein Usedomhaus, das als attraktiver Anziehungspunkt in einer modernen Architektur entstehen soll, wird zusätzliche Verkehrsströme auf dieser Insel schaffen. Diese wird die Insel in absehbarer Zukunft nicht verkraften. Deshalb schlage ich vor: Jeder Pfennig muß in die Lösung der Verkehrsprobleme gesteckt werden. Wenn Kommunalpolitik und Tourismus das Verkehrsproblem gelöst haben, ist noch viel Zeit für weitere Projekte. Vor allem wäre es unverantwortlich, ein Usedomhaus an den Rand der Insel zu stellen. Ein Usedomhaus, falls der Neubau kommt, gehört in die Mitte, am besten in das deutsch-polnische und damit in das europäische Zentrum Ahlbeck-Swinemünde.

4. Wir setzen uns auf Usedom künstlich unter Druck, indem wir uns auf attraktive Fördertöpfe mit hohen Förderquoten verweisen lassen, die in Zukunft angeblich nicht mehr zur Verfügung stehen. Jetzt zugreifen, ist die Devise – später gehen wir leer aus. Das jedoch widerspricht jeder Lebenserfahrung. Auch später werden Land und Bund neue Fördertöpfe einrichten. Hier wird von interessierter Seite Druck ausgeübt. Bei der Schaffung von neuen entsprechenden kommunalpolitischen Körperschaften ist kalter Verstand gefordert: Was passiert, wenn die jetzt genannte Bausumme erheblich überschritten wird? Ich habe noch NIE ein Bauprojekt erlebt, das billiger als geplant abgerechnet worden ist. Jeder Gemeindevertreter in den zuständigen Insel-Gemeinden sollte sein Gewissen genau hinterfragen, ob er zustimmen darf, ohne sicher zu sein: dass die Betreiberkosten ständig im Plus sein werden und nicht ins Minus rutschen. Wer trägt auf einer Insel, die keine gemeinsame kommunalpolitische Plattform hat, die Verluste? Die finanzielle Situation der zersplitterten Gemeinden wird von Jahr zu Jahr schlechter werden. Der Kreis Ostvorpommern ist schon heute fast handlungsunfähig. Mein Rat: Auch auf diesem Hintergrund sollten wir vom Usedomhaus die Finger lassen.

5. An den Workshops des Tourismusverbandes Insel Usedom (tviu) und der Präsentation der Machbarkeitsstudie haben sich erschreckend WENIGE von der Insel, kaum Bürgermeister und Hoteliers, beteiligt. Das Usedomhaus löst keine Begeisterung aus. Ich sehe keine Führungs-Persönlichkeit auf der Insel, die diesen Trend drehen könnte. Auch Leserbriefe, die bisher erschienen sind, waren voller skeptischer Fragen oder gar schroff ablehnend. Der Hinweis auf andere, angeblich erfolgreiche Häuser dieser Art (Waren/Müritz, Bremerhaven) bringen uns nur begrenzt weiter. Dort haben intakte Städte mit einem einzigen Parlament und einer einzigen Stadt-Regierung die Projekte zu einer ganz anderen Zeit mit ganz unterschiedlichen Zielrichtungen durchgezogen.

6. Natürlich benötigt jedes Feriengebiet, neudeutsch als Feriendestination verunstaltet, attraktive Orte für die UrlauberInnen. Auf Usedom haben wir viele wichtige, kleine und große, Attraktionen, die einzigartig sind, aber dringend baulich erweitert, inhaltlich verbessert oder finanziell gesichert werden müssen: vom HTI in Peenemünde über die Schmetterlingsfarm in Trassenheide, das ONH-Atelier in Koserow, den Kunstpavillon in Heringsdorf, das Schloß in Stolpe bis zum Naturschutzzentrum in der Stadt Usedom. Usedom sollte Zeit, Phantasie, Kraft und Geld in diese naheliegenden Projekte investieren. Ein Usedomhaus würde für diese Einrichtungen eine Konkurrenz sein, die derzeit schwer zu verkraften ist. Vom Usedomhaus sollte diese schöne Insel weiterhin träumen, bzogen auf das Jahr 2030. Falls wir dann Eine Stadt – eine Insel sind!

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