Vorschnell

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Dieser Tage fuhr ich hinter einem Auto aus unserem Landkreis her, dessen Heckscheibe mit einem Spruch beklebt ist, der bei mir sofort einen Reflex auslöste: Schon wieder so ein Nazidepp!

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Zum Glück habe ich erst einmal den Internetkraken befragt und erlebt, wie man mit vorschnellen Schlüssen ganz schön daneben liegen kann. Anders als vermutet, ist die Aussage des Textes und des Bildes keine politische, sondern eine musikalische. Damit geben sich Anhänger der Electronic Body Music (EBM) zu erkennen.

Die Szene gilt als unpolitisch, bedient sich aber aus irgendwelchen Gründen gerne solch seltsam anmutender Symbolik.

Kennen Sie die Küste?

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Qualitätsmedien bauen heutzutage gerne als Wissenstest getarnte Klickstrecken in ihre Onlineausgaben ein. Bei dem Test „Kennen Sie die Küste“ des Stern darf man zur Beantwortung von 15 Fragen gefühlte 150 mal auf „weiter“ klicken, um bis ans Ende zu gelangen. Sie denken jetzt sicher, das sei doch für den Nutzer äusserst unbequem? Genau. Es kommt dem Verlag aber in keinster Weise auf den Komfort des Lesers an, einziges Ziel dieser Methoden ist es, möglichst viele Klicks zu generieren, um den Werbekunden besser zur Kasse bitten zu können.

Dieser Wissenstest wäre hier keine Erwähnung wert, hätte nicht der Stern bei der Auflösung einer der Fragen einen schönen Bock geschossen.

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Peene? Ganz klar, die kann nur bei Peenemünde in die Ostsee fliessen.

Dumm nur, dass die Peene etwa 10 Kilometer östlich von Anklam in den sogenannten Peenestrom fliesst und eben nicht in die Ostsee.

Was die Redaktion des Stern angeht, kann man die im Titel gestellte Frage getrost verneinen.

Bahnchef macht Blitzvisite

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Am Samstag war Bahnchef Rüdiger Grube auf Einladung seines Vorvorgängers und bekennendem Usedomliebhaber, Dr. Johannes Ludewig, zu einem Besuch auf Usedom. Auf dem Programm des informellen Besuchs stand unter anderem auch die Besichtigung der Karniner Brücke. Dem Vernehmen nach hat es Herrn Grube auf unserer Insel ausnehmend gut gefallen, es soll nicht der letzte Besuch bleiben.

Über die Mühsal einer Bahnfahrt an die Ostsee

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Markus Falkner schreibt heute in der Berliner Morgenpost über das Thema Bahnanbindung der Ostsee und widmet sich auch der Situation auf Usedom: Gebremst an die Ostsee.

… die im Regionalverkehr eingesetzten Doppelstockzüge sind nämlich keineswegs für die Beförderung von Langstrecken-Reisenden mit Urlaubsgepäck konstruiert. Gepäckablagen etwa wie im ICE oder IC fehlen. Und die vergleichsweise schmalen und harten Sitze in den Regionalzügen bieten wenig Komfort auf langen Strecken.

Dem kann man aus eigener leidvoller Erfahrung nur zustimmen. Selbst die 2:20 Stunden von Anklam nach Berlin mit dem Regional-Exzess sind eine Qual. Der Mensch, der für das Design der Sitze verantwortlich war, muss in einem früheren Leben ein Folterknecht gewesen sein.

Überflüssige Warnung

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Unsere Strassenverkehrsbehörden sind ja immer mal wieder für Überraschungen gut. In Ahlbeck steht an der Kreuzung Siedlung Ostend und Ferdinand-Egelinski-Straße seit Jahr und Tag das Zeichen 102 „Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts“. Aus der Ferdinand-Egelinski-Straße kann aber kein Verkehr kommen, sie ist eine Einbahnstraße, wie am Zeichen 220 „Einbahnstraße“ am linken Bildrand unschwer ersichtlich.

Insel-Zeitung vor dem Aus?

Politisches

Diese Frage muss man sich wohl ernsthaft stellen, wenn man sich den heutigen Lokalteil ansieht. Ein gutes Drittel der ersten Seite schmückt das Bild eines Dackels und die Mitteilung über den Beginn der Hundstage. Illa Klein, die ausweislich des Impressums kein Mitglied der Redaktion ist, versucht sich dann gleich noch als Wettervorhersagerin:

In der Regel wird das eine Zeit mit stabiler Hochdruckwetterlage und warmen Luftmassen.

Da sind wir dann ja mal gespannt. Dumm nur, dass die Hundstage kein meteorologisches, sondern ein astronomisches Phänomen sind, wie man auf Astrowetter schön nachlesen kann.

Neben zwei kleinen Abschriften aus dem Polizeibericht ist der Rest der Seite dem Thema Ehescheidungen gewidmet. Zugekauft von einer freien Journalistin handelt dieser Artikel nur in vier kurzen Sätzen von der Situation in Ostvorpommern, der Rest sind Bundes- und Landeszahlen. Abgesehen davon, dass er Schnee von gestern ist. Die zitierte Pressemitteilung des statistischen Landesamtes stammt bereits vom 8. Juli, der Artikel wurde weitestgehend wortgleich bereits am 8. Mai in der südthüringischen Zeitung „Freies Wort“ veröffentlicht.

Noch peinlicher als diese billige Seitenfüllerei ist die Tatsache, dass in der Redaktion offenbar niemand dieses Geschwurbel gelesen hat. Anders kann man sich die Überschrift

Immer mehr Frauen setzen Schlussstrich unter die Ehe

nicht erklären. Im Text steht nämlich genau das Gegenteil:

Die Männer emanzipieren sich sich jedoch auf diesem Gebiet langsam: Seit Anfang der 1990er Jahre beobachtet das Statistische Landesamt eine Zunahme von männlichen Antragstellern.

Kann ich mir jetzt aussuchen, was ich glauben will? Auch die Zwischenüberschrift

Zahl der von Scheidung betroffenen Kindern nimmt weiter ab

passt ins Bild. Sowohl von der Rechtschreibung als auch vom Kontext. In der Grafik direkt darunter werden die Unterschiede zwischen den Jahren 2008 und 2009 als Entwicklung (!) dargestellt und siehe da: In Ostvorpommern ist die Zahl der betroffenen Kinder gestiegen. Unter der Grafik steht dann in sinnfreiem Zusammenhang als Erläuterung: Die Zahl der Scheidungen von Langzeitehen hat sich seit Anfang der 90er Jahre mehr als verdoppelt.

In diesem Stil geht es in der Insel-Zeitung flott weiter. Eine Drittelseite mit einem Bericht über die Sommerferien von Kindern der Gemeinde Kleve in Lassan, ein weiteres Drittel über einen Sommerkurs für Kinder mit Diabeteserkrankungen in Karlsburg und einem Vorkommnis in Ducherow, eine halbe Seite über die Band einer Minimusikschule in Krien und eine weitere halbe Seite über die Sanierung der Kirche in Wietstock. Was haben alle diese Orte gemeinsam? Bingo. Keiner hat etwas mit Usedom oder mit Wolgast zu tun.

Es gibt immerhin ganze zwei Artikel aus Wolgast. Einer berichtet über die erste Bürgerkonferenz unseres Ministerpräsidenten, eigentlich ein spannendes Thema. Eigentlich. Die Expertin für Hundstage hat nämlich fleissig die durchaus interessanten Fragen aufgezählt, nur leider bekommt der verblüffte Leser die Antworten von Herrn Sellering nicht zu lesen. Mich hätte schon interessiert, was der Ministerpräsident zur Umgehung in Wolgast, zum Atommüll in Lubmin oder zu einer gerechten Wichtung von Kultur zu sagen hatte. Aber da waren die Nachrichten aus Karlsburg, Krien und Wietstock natürlich wichtiger.

Man hätte allerdings auch die halbe Seite Traueranzeigen nehmen können, die aus Demmin, Templin, Mirow, Medow, Pasewalk und Rosenow stammen. Oder die halbe Seite Eigenwerbung für Familienanzeigen zum Schulanfang. Dann hätte man ordentlich Platz für die Antworten des Ministerpräsidenten gehabt.

Der zweite Artikel über Wolgast ist auch nur ein billiger Lückenfüller, produziert von der Lokalredaktion in Pasewalk. Weil es eigentlich um ein Bildungswerk von dort geht.

Einen besonderen Höhepunkt steuert noch Jörg Franze bei, ebenfalls kein Redaktionsmitglied, in der täglichen Kolumne „Ganz nebenbei“. Die ganz nebenbei bemerkt leider nicht mehr das ist, was sie zu Zeiten von Uwe Reißenweber einmal war.

Alle schimpfen auf BP, aber eine wirkliche Vorstellung davon, wie es ist, dieses Leck in der Bohrplattform zu schließen, hat keiner. Doch manches Problem kann man auch im eigenen Umfeld und mit einfachen Mitteln nachstellen, um sich einen Eindruck zu verschaffen.

Nehmen Sie beispielsweise den Gartenschlauch, drehen das Wasser voll auf und spielen beim abendlichen Wässern gedankenverloren am Patent-Steckverschluss der Spritzdüse. Wenn diese dann durch unqualifiziertes Rumfingern abgefallen ist und sich das Wasser schwallweise aus dem Schlauch ergießt, dann versuchen Sie, die Spritzdüse wieder aufzustecken. Sehen Sie, so ungefähr geht es BP.

Abgesehen davon, dass das Leck nicht in der Bohrplattform ist, sondern in 1.500 Metern Tiefe und abgesehen davon, dass eine solche Umweltkatastrophe nicht geeignet ist für infantile Vergleiche mit Gartenschläuchen, löst jeder normal Begabte das Problem ganz einfach: Schlauch hinlegen und Wasser abdrehen.

Wenn ich jetzt alles zusammenfasse, habe ich in der heutigen Insel-Zeitung nicht einen einzigen Artikel von der Insel zu lesen bekommen, sondern eine Menge absolut belangloses Zeug aus dem Landkreis ohne jeden Nachrichtenwert. Das ganze mit möglichst großen Bildern, damit nicht so viel Text geschrieben werden muss. Das bewegt sich mittlerweile auf dem Niveau eines kostenlosen Anzeigenblattes. Und es liegt mit Sicherheit nicht an einem Mangel an Themen auf der Insel oder in Wolgast.

Leider wird das wohl Normalzustand werden bei der Insel-Zeitung des Notkuriers. Das Redaktionsbüro in Heringsdorf wurde bereits aufgelöst, eine ohnehin verwaiste Redakteursstelle gestrichen und die verbliebene Redakteurin hat keinen Stuhl in der Anklamer Redaktion. Jedenfalls kann man sie dort nicht erreichen. Aus dem Umfeld der Anklamer Redaktion wird kolportiert, die Insel-Zeitung solle demnächst komplett von einer Agentur produziert werden. Sollte mich nicht wundern.

Es ist ein Elend.

Riesiger Blaualgenfilm in der Ostsee

Bilder / Natur

Der WWF hat heute Alarm geschlagen. Bedingt durch die Hitze und wenig Wind hat sich ein Blaualgen-Film mit einer Länge von 1.600 Kilometern und einer Breite von 190 Kilometern gebildet, der auch die Pommersche Bucht bereits erreicht hat. Das entspricht einer Fläche von 304 km² und damit fast drei Vierteln der gesamten Ostsee (413 km²) und ist beinahe die Größe von Deutschland (357 km²).

Auf Usedom ist die Aussenküste bislang nicht betroffen. Im Achterwasser wurden allerdings Blaualgen an den Badestellen von Quilitz, Balm, Usedom und Pudagla nachgewiesen, eine Sperrung ist aber bis jetzt noch nicht erfolgt.

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Foto: European Space Agency (ESA)

Das Bild wurde am 11. Juli mit dem Medium Resolution Imaging Spectrometer (MERIS) des Envisat aufgenommen. Hochauflösend und größer gibt es das Bild hier noch einmal.

Die ESA veröffentlicht übrigens jede Woche ein Satellitenbild, das Archiv mit den Aufnahmen der letzten sechs Jahre gibt es hier.

Nachtrag 24.07.2010

Auf diesem Luftbild vom 20.07.2010 ist die südliche Ostsee gut zu sehen. Man kann sehr gut erkennen, wie stark das Achterwasser und vor allem das Stettiner Haff betroffen sind.

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Foto: NASA/GSFC, MODIS Rapid Response

Und hier ist der direkte Vergleich zu der Algenblüte im Jahr 2005.

algenblute-2005.jpg
Foto: NASA/GSFC, MODIS Rapid Response

Bei NASA Images gibt es das Bild noch mal skalierbar in sehr viel größerer Auflösung.