Anklam, immer wieder Anklam

Politisches

Es ging letzte Woche mit der Dokumentation „Showdown in Anklam“ im ZDF los und in dieser Woche in der taz und der ZEIT weiter. Astrid Geisler als ausgesprochene Kennerin der Szene in und um Anklam hat in der taz unter dem Titel „Die Stadt ohne Zeugen“ ausführlich dargelegt, wie die Nazis dort mittlerweile als Selbstverständlichkeit hingenommen werden.

In Deutschland findet man dutzende Orte, wo Neonazis auf wenig Widerstand stoßen. Aber in kaum einer Stadt gehört Rechtsextremismus inzwischen so selbstverständlich zum Alltag wie hier. Die NPD nennt die Stadt einen „nationalen Leuchtturm“.

In diesem Zusammenhang empfiehlt sich auch die Reportage „Das vergessene Land“ ebenfalls von Astrid Geisler aus dem Jahr 2006. Beklemmend.

Michael Andrejewski freut sich daran – wo sonst ist die Lage schon so schön trostlos? Der NPD-Politiker zog vor drei Jahren nach Anklam. Damals hatte er gerade das Jura-Examen bestanden. Nach 36 Studiensemestern und Jahren in ausländerfeindlichen Gruppen suchte er sein persönliches Testfeld, das ideale Gebiet für rechtsextreme Politik. Er entschied sich für Ostvorpommern. Die Gegend sei „freies Pionierland“ mit idealen Standortfaktoren, schwärmt der Lehrerssohn aus dem Schwarzwald: „Wenige Regionen sind so heruntergewirtschaftet. In kaum einer gibt es eine geringere Systembindung als hier. Die Leute hatten mal riesige Erwartungen, jetzt sind sie wahnsinnig enttäuscht.“ Die Enttäuschten sind seine Hoffnung. Er will ihr Vertrauen gewinnen, ihre Stimmen, ihre Region. Spätestens 2018 soll ein NPD-Bürgermeister ins Anklamer Rathaus einziehen. Das ist sein Ziel.

In der ZEIT haben sich Anita und Marian Blasberg, beide auch Autoren der oben genannten ZDF-Dokumentation, mit der barock anmutenden Amtsauffassung des Anklamer Bürgermeisters, dem Niedergang der Volksparteien und dem konsequenten Vorgehen der Nazis auseinandergesetzt. „Der Dicke und die Demokraten“ ist eine Reportage, wie man sie sich einmal von unseren Lokalzeitungen wünschte.

Sein Vorbild, sagte Galander einmal in einem Interview, sei Wladimir Putin.

Das verwundert nach Studium des Artikels nicht. Die Auffassung von Demokratie der beiden scheint ziemlich deckungsgleich zu sein. Das ist auch gut so, denn wie wir von unserem Liberalala Gerhard Schröder wissen, ist Putin ja ein lupenreiner Demokrat.

Die Schwäche der Volksparteien und des Galanderschen Herrschaftssystems nutzt der Nazi Andrejewski konsequent aus.

Jeden Montag öffnet er sein Büro zur kostenlosen Hartz-IV-Beratung. Dann kommen Männer, denen der Strom abgestellt wurde, alleinerziehende Frauen, die aus ihrer Wohnung müssen. »Leute, die nicht unbedingt NPD wählen«, sagt Andrejewski. Er schreibt Widersprüche für sie, er klagt vor Gericht, wenn nötig.

Die „normalen Parteien“ haben diese Graswurzelarbeit aus Mangel an Mitgliedern und einer damit einhergehenden, erschreckenden Organisationsschwäche längst aufgegeben. Die Quittung werden wir bei den nächsten Wahlen bekommen.